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Lehrstuhl für Altorientalistik

Forschungen zum Hurritischen, Hurro-Akkadischen und Urartäischen

Hurritisch ist eine bereits um 1200 v. Chr. weitgehend ausgestorbene Sprache, die mit keiner anderen bekannten Sprache verwandt ist, sieht man von dem engstens verwandten Urartäischen ab, das in Inschriften des. 9.-7. Jahrhunderts v.Chr. bezeugt ist.

Die hurritische Sprache wurde seit dem späten 3. Jahrtausend v. Chr. in Obermesopotamien gesprochen und breitete sich im 2. Jahrtausend  in einem weiten Raum zwischen dem Mittelmeer und dem iranischen Randgebirge des Zagros aus.

Obwohl es Schriftzeugnisse in hurritischer Sprache seit ca. 2300 v. Chr. gibt, bediente man sich im hurritischen Sprachraum meist des Akkadischen als Schriftsprache. Da in den entsprechenden akkadisch abgefassten Texten – vor allem Urkunden, Verwaltungstexten und Briefen – häufig hurritische Namen und Wörter begegnen, spricht man von "Hurro-Akkadisch".

Um 1420 erlangte das Hurritische am hethitischen Hof den Status einer angesehenen Kultursprache. Aus diesem Grunde finden sich unter den in Hattusa gefundenen Keilschrifttafeln zahlreiche Texte in hurritischer Sprache.

In einem Langfristprojekt, an dem auch die Würzburger Altorientalistik beteiligt ist, sollen alle hurritischen Texte in Transliteration ediert werden.

Corpus der hurritischen Sprachdenkmäler

Das Corpus der hurritischen Sprachdenkmäler (ChS) wird seit 1984 von M. Salvini (Rom), V. Haas (Berlin), I. Wegner-Haas (Berlin und G. Wilhelm (Würzburg) herausgegeben. Inzwischen wirken bei der Herausgabe St. de Martino (Turin), M. Giorgieri (Pavia) und M.-Cl. Trémouille (Rom) mit. Das ChS erscheint in Rom mit Finanzierung durch das Istituto di studi sulle civiltà dell'Egeo e del Vicino Oriente. Bisher ist die I. Abteilung, in der die hurritischen Texte aus Hattusa ediert sind, mit 10 Bänden abgeschlossen.

Die II. Abteilung mit Texten anderer Provenienz soll mit einer von G. Wilhelm betreuten Edition des für die Hurritologie besonders wichtigen "Mittani-Briefes" eröffnet werden. Es handelt sich dabei um einen in Ägypten gefundenen, ca. 500 Zeilen umfassenden Königsbrief in hurritischer Sprache aus der Zeit um 1360 v. Chr., der für die Erschließung der Grammatik und des Lexikons des Hurritischen von hoher Bedeutung ist.

Grammatik des Hurritischen und Urartäischen

G. Wilhelm hat 2004 Abrisse der hurritischen und der urartäischen Grammatik als Beiträge zu der Cambridge Encyclopedia of the World's Ancient Languages (ed. Roger D. Woodard) vorgelegt (Chapter 4: Hurrian, 95-118, Chapter 5: Urartian, 119–37). Sie beruhen auf langjährigen Materialsammlungen, die – ständig ergänzt und verbessert – bereits seit zwei Jahrzehnten dem akademischen Unterricht in Würzburg zugrundeliegen.
Das Manuskript einer umfassenden neuen hurritischen Grammatik ist weit vorangeschritten.

Hurro-Akkadisch: Das Archiv des Šilwa-teššup

Die im 15. und 14. Jh. v. Chr. niedergeschriebenen ca. 5000 Urkunden aus den altorientalischen Städten Nuzi und Arrapha (= heutiges Kirkuk, Irak) sowie aus der kleinen befestigten Anlage Tall al-Fahhar stellen die umfangreichste bisher bekannte Textgruppe dar, die in der "Hurro-Akkadisch" genannten Schriftsprache abgefasst ist.

Diese Texte sind eine wichtige Quelle für die altorientalische Wirtschafts-, Sozial- und Rechtsgeschichte und erlauben eine sehr detaillierte Analyse von Familienstrukturen, Eigentumsformen, Austauschverhältnissen, agrarischer Produktion und Distribution, staatlicher Organisation u.a.m.

Die verschiedenen in Nuzi ausgegrabenen Archive lassen sich grob in vier Kategorien einteilen, die jeweils unterschiedliche Phänomene der Gesellschaft des Landes Arrapha beleuchten:

(1) Aus den Palastarchiven sind vor allem Informationen über die militärische Organisation und Ausrüstung, das Palastpersonal und -inventar, die Distribution von Nahrungsmitteln und Textilien sowie handwerkliche und kaufmännische Aktivitäten zu gewinnen.

(2) Die Privatarchive aus der Zitadelle von Nuzi ("main mound") geben vor allem Auskunft über Familienstrukturen, ökonomische Aktivitäten und Grundbesitzverhältnisse der "(oberen) Mittelschicht".

(3) Das Archiv der Familie des Tehip-tilla aus einer Unterstadtvilla dokumentiert vor allem das Wachstum eines weitverstreuten Großgrundbesitzes und die dabei eingesetzten Vertragsformen sowie die ökonomische Situation der bäuerlichen "unteren Mittelschicht".

(4) Das Archiv des Prinzen Šilwa-teššup liefert Informationen über die Personalstruktur, die ökonomischen Aktivitäten und die interne Organisation des Großgrundbesitzes eines Angehörigen der sich vor allem aus dem Königshaus rekrutierenden Elite innerhalb der Oberschicht.

Die Rekonstruktion und Neuedition des Archivs des Šilwa-teššup, das überwiegend nicht in Keilschrift, sondern nur in – nicht selten fehlerhaften – Umschriften publiziert wurde, ist Gegenstand eines Langfristprojekts von G. Wilhelm, das allerdings wegen anderer Verpflichtungen für eine längere Zeit unterbrochen werden musste. Das Projekt ist von der DFG mit Reisemitteln für die Kollation der Originalurkunden im Semitic Museum der Harvard University, Druckkostenzuschüssen sowie Bereitstellung einer Mitarbeiterstelle gefördert worden.

Die Neuedition erscheint unter dem Titel Das Archiv des Šilwa-teššup (AdŠ); bisher sind folgende Bände erschienen:

AdŠ 2: G. Wilhelm, Rationenlisten I, 1980.
AdŠ 3: G. Wilhelm, Rationenlisten II, 1985.
AdŠ 4: G. Wilhelm, Darlehensurkunden und verwandte Texte, 1992.
AdŠ 8: D. Stein, The Seal Impressions (Text), 1993.
AdŠ 9: D. Stein, The Seal Impressions (Catalogue), 1993.

Weitgehend fertiggestellt sind die folgenden Bände:

AdŠ 5: G. Wilhelm, Texte zur Viehhaltung und Textilwirtschaft.
AdŠ 6: G. Wilhelm, Rechtsurkunden und Briefe.
AdŠ 7: G. Wilhelm, Die Vorläuferarchive.
AdŠ 10: B. Spering, Prosopographisches Namenverzeichnis.

Abgüsse von Keilschrifttafeln aus Nuzi können in einem Schaukasten vor dem Eingang zum Lehrstuhl für Altorientalistik betrachtet werden.