Dime im Fayum
DFG-Projekt von 2009 bis 2024
Das nach einer Anschubfinanzierung des Universitätsbundes von der DFG mit rund 600.000 Euro für sechs Jahre finanzierte Vorhaben untersuchte Kult, Theologie, Geschichte und Chronologie des Tempels von Dime. Der Abschlußbericht ist hier öffentlich verfügbar.
Die Arbeit des DFG-Projekts erfolgte in zwei Komplexen: 1. Die Edition dokumentarischer demotischer Texte und deren Auswertung unter Einbeziehung der bereits in Editionen verfügbaren Schriftquellen mit Blick auf die historische Entwicklung des Ortes und Tempels. 2. Die Erstedition des Textes zum täglichen Ritual im Tempel von Dime und religionshistorische Einordnung des Kultes in den ägyptischen Kontext, sowie die Erforschung der für den Ort identitätsstiftenden Mythologie aufgrund der Edition weiterer unpublizierter ägyptischer Quellen. Die untereinander thematisch vernetzten Teilbereiche des Vorhabens stellen wichtige Informationen zur Deutung und chronologischen Einordnung des architektonischen Befundes in Dime bereit. Dadurch werden die Stellung eines ägyptischen Tempels als geistigen und ökonomischen Zentrums sowie die Bedingungen ägyptischer Identität v.a. in Zeiten römischer Herrschaft exemplarisch aus verschiedenen Richtungen untersucht werden. Das Projekt betrieb Grundlagenforschung durch die Aufarbeitung noch kaum erforschter ägyptischer Textquellenkomplexe, die so für die Ägyptologie, die Alte Geschichte, aber auch die griechische Papyrologie erschlossen werden.
Internationale Kooperation
Der Projektleiter, Prof. Dr. M.A. Stadler, ist als Grabungsphilologe an den aktuell laufenden Grabungen der Università del Salento, Lecce, in Dime beteiligt. Dadurch fließen auch die neuesten Ergebnisse der feldarchäologischen Forschung in die Projektarbeit mit ein.
Veröffentlichte Ergebnisse
Die beiden Kapitel
C. Arlt, „The Demotic Ostraka“, S. 191–367, und
M. A. Stadler, „Papyri with Egyptian Texts“, S. 121–189,
in: M. Capasso und P. Davoli (Hgg.), Soknopaiou Nesos Project II: Greek and Egyptian Texts I (2003–2014) (Lecce, 2024) – ISBN 9791255681021 –
machen für sich genommen mit fast 250 Seiten den Umfang einer Monographie aus. Der Gesamtband ist open access hier zu finden.
Arlts Beitrag erweitert mit der Publikation der 539 Stücke die Menge der bislang durch Lippert und Schentuleit veröffentlichten 229 Ostraka um das Doppelte. In Stadlers Kapitel sind 89 Papyrusfragmente publiziert. Das Material, so klein die Fragmente auch sein mögen, ist deswegen außerordentlich bedeutsam, weil es die ersten wissenschaftlich ergrabenen Ostraka und Papyri aus Dime sind, während alles andere über Raubgrabungen oder aus alten Grabungen mit unzureichender Funddokumentation stammt. Die Publikation erfolgte in einer Art catalogue raisonné, d.h. einer vollständigen Erfassung aller zwischen 2003 und 2014 bei den Grabungen der Lecceser Mission gefundenen Stücke, so klein sie auch sein mögen, in Photographie und Beschreibung möglichst mit einem Transliterations- und Übersetzungsversuch.
M. A. Stadler, Das Soknopaiosritual: Texte zum Täglichen Ritual im Tempel des Soknopaios zu Dimê (ÄOP 6; Berlin, Boston, 2022). ISBN: 9783110470550
In dem Band werden die Handschriften des Soknopaiosritual erstmals ediert. Die teils mehr als 1300 Jahre älteren Text wurden unter Beibehaltung der mittelägyptischen Sprache in ‚unetymologischer‘ demotischer Schrift notiert. Die oben skizzierte Editionsproblematik wird in einem ausführlichen Kommentar erläutert, der den Text in den Kontext der altägyptischen Religionsgeschichte einbettet.
Das Soknopaiosritual ist zudem open access über den Thesaurus Linguae Aegyptiae verfügbar, in den Marcel Moser, finanziert über Mittel der Sächsischen Akademie der Wissenschaften Leipzig, den Text in Transliteration und Übersetzung eingegeben hat. Für die Kommentare ist freilich auf die Printpublikation zurückzugreifen:
Martin Stadler, „Tägliches Ritual für Soknopaios (Soknopaiosritual)“ (Objekt-ID ZMPC3OA4UBEDPNFJJ7GA7OW4PI) <https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/object/ ZMPC3OA4UBEDPNFJJ7GA7OW4PI>, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae, Korpus-Ausgabe 18, Web-App-Version 2.1.5, 26.7.2024, hrsg. von Tonio Sebastian Richter & Daniel A. Werning im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und Hans-Werner Fischer-Elfert & Peter Dils im Auftrag der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig.
In Théologie et culte au temple de Soknopaios: Études sur la religion d’un village égyptien pendant l’époque romaine (Paris, 2017), ISBN 9782915840377, versucht Stadler eine Synthese zur ägyptischen Religion von Dime, die auf Erkenntnissen basiert, die im Rahmen von Stadlers Projektarbeit erzielt wurden. Dazu werden die religiösen demotischen Quellen aus dem Ort mit denen Ägyptens insgesamt soweit relevant kontextualisiert.
Weitere Publikationen und öffentlich gemachte Ergebnisse
C. Arlt, „The Name Ostraka from Soknopaiou Nesos: Office Lottery or Ostracism in the Fayyum?“, in: C. Arlt und M. A. Stadler (Hgg.), Das Fayyûm in Hellenismus und Kaiserzeit: Fallstudien zu multikulturellem Leben in der Antike (Wiesbaden, 2013), 7–17.
C. Arlt, „The Temple Administration in Ptolemaic Soknopaiou Nesos: The Role of Tax Farming and Monopolies“, in: M. Capasso und P. Davoli (Hgg.), Soknopaios, the Temple and Worship: Proceedings of the First Round Table of the Centro di Studi Papirologici of Università del Salento Lecce – October 9th 2013 (Edaphos 1; Lecce, Rovato, 2015), 11–32.
M. A. Stadler, „Demotica aus Dime: Ein Überblick über die in Dime während der Kampagnen 2001–2009 gefundenen demotischen Texte“, in: M. Capasso und P. Davoli (Hgg.), Soknopaiou Nesos Project I (2003–2009) (Pisa, Roma, 2012), 249–268.
M. A. Stadler, „Interpreting the Architecture of the Temenos: Demotic Papyri and the Cult in Dime“, in: M. Capasso und P. Davoli (Hgg.), Soknopaiou Nesos Project I (2003–2009) (Pisa, Roma, 2012), 379–386.
M. A. Stadler, „Archaeology of Discourse: The Scribal Tradition in the Roman Fayyûm and the House of Life at Dimê“, in: M. Capasso und P. Davoli (Hgg.), Soknopaios, the Temple and Worship: Proceedings of the First Round Table of the Centro di Studi Papirologici of Università del Salento Lecce – October 9th 2013 (Edaphos 1; Lecce, Rovato, 2015), 187–232.
M. A. Stadler, „Textmobilität: Versatzstücke im Täglichen Ritual von Dimê“, in: A. H. Pries (Hg.), Die Variation der Tradition: Modalitäten der Ritualadaption im Alten Ägypten (Orientalia Lovaniensia Analecta 240; Leuven [u.a.], 2016), 29–45.