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Glocke

Eine magische Glocke aus Assyrien – Schutz und Heilung

Ein weniger auffälliges Objekt, das aber wegen seiner Funktion besondere Aufmerksamkeit verdient, ist diese bronzene Glocke aus Assur, Hauptstadt des assyrischen Reiches,  die in das 8.–7. Jahrhundert v. Chr. datiert.

Ihre Einzigartigkeit besteht im Relieffries, der den gesamten Klangkörper umläuft und Figuren aus dem Bereich der Magie und Beschwörungskunst abbildet. Es finden sich darunter mehrere Löwendämonen (akkadisch ugallu), die in ihrer erhobenen Rechten einen Dolch halten, ein Fischmensch, der so genannte apkallu, ein Weiser aus vorsintflutlicher Zeit mit reinigenden Kräften, und schließlich der Schutzgott Lulal, der ebenfalls seine Rechte zur Drohgebärde erhoben hat. Den oberen Teil der Glocke schmücken Schildkröten und Salamander, Tiere des Ea, des Gottes der Beschwörungskunst und der reinigenden Wasser. Der Schlegel ist als Schlange geformt, die den mächtigen Wächter der Unterwelt Nirach symbolisiert. Alle diese Figuren, ob Götter oder Mischwesen, werden in Keilschrift-texten beschrieben. Ihre Hauptaufgabe besteht in der Abwehr übler Mächte, ihre  Kräfte wirken damit apothropäisch (Unheil-abwehrend).

Ihre bildliche Wiedergabe auf dem bronzenen Klangkörper gibt preis, welchem Zweck dieses Instrument im antiken Mesopotamien gedient hat: Der Klang der Glocke sollte die Kräfte dieser überirdischen Wesen erwecken und mit seinem lauten und schrillen Schellen Krankheit bringende Dämonen vertreiben.

Das mächtige, bronzene [Instrument Urudu-Nigkalaga], der Held des Himmels, sein schrecklicher Klang vertreibt das Böse; platziere es dort, wo es Lärm abgibt, damit es dein Beschützer ist. Wenn das Urudu-Nigkalaga, der Held des Himmels, seinen schrecklichen Klang zur Beschwörung, dem Wort des Ea, hinzufügt, dann möge der böse udug-Dämon, ...(u.a.) verschwinden. (Udug-Hul Tafel VII 675–681)

Das häufig in Beschwörungen genannte Instrument Urudu-Nigkalaga, wörtlich „Bronzener, mächtiger Held“, könnte tatsächlich auf unsere Glocke aus Assur zu beziehen sein. Leider sind auf den wenigen Abbildungen von Krankenheilungsszenen auf Rollsiegeln keine Glocken erkennbar, sondern Stabrasseln und andere nicht identifizierbare Objekte. Mag die sekundäre ikonographische Dokumentation fehlen, so sind Verwendung und Funktion dieser Glocke allein durch ihre figürliche Gestaltung ausreichend gesichert.

Dahlia Shehata

Abguss erworben mit Unterstützung des Musikpatenschaftsprojekts des Alumni-Vereins Würzburg.