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Sistren

Die Sistren des Tutanchamun

Als Howard Carter 1922 das Grab des Königs Tutanchamun im Tal der Könige öffnete, kamen neben anderen Schätzen und Kostbarkeiten, die die Welt in Erstaunen versetzen sollten, auch zwei ungewöhnliche Musikinstrumente zu Tage.

Die Sistren sind mit ihren ca. 52 cm nicht nur länger als alle bisher bekannten Kultrasseln und bestehen aus vergoldetem Holz mit Kupferbögen statt aus massiver Bronze. Sie unterscheiden sich auch in ihrer Dekoration: Die typische Hathorkopf-Verzierung fehlt und die drei Bögen mit ihren wiederum jeweils drei aufgefädelten diamantförmigen Kupferplättchen wurden als Uräus-Schlangen gestaltet. Die beiden Instrumente, die sehr wahrscheinlich als Paar verwendet wurden, stammen aus der Zeit des Amenophis IV./ Echnaton (18. Dynastie, Amarna-Zeit, 1351–1334 v. Chr.).

Der in der Literatur oft als „Ketzerkönig“ titulierte Herrscher führte während seiner Regierungszeit einen Henotheismus ein, der den Sonnengott Aton über alle anderen Götter stellte. Deren Kulte wurden eingestellt, der vormalige Reichsgott Amun sogar verfolgt und auf Abbildungen zerstört. Diese religiösen Umwälzungen erklären das einzigartige Aussehen der beiden Sistren: Da Echnaton anstrebte, dass Aton als einziger Gott verehrt werden sollte, waren Darstellungen der Hathor auf den Kultgeräten seiner Ideologie nicht zuträglich.

Seine Regierungszeit war jedoch nur von kurzer Dauer und nach seinem Tod bemühten sich seine Nachfolger, die alten Sitten und Gebräuche wiederherzustellen. Aus diesem Grund handelt es sich bei den beiden Kultrasseln wahrscheinlich um die einzigen ihrer Art. Wieso man sich entschloss, sie Tutanchamuns reicher Grabausstattung hinzuzufügen und nicht der von Echnaton selbst, ist unklar. Als einer der Nachfolger Echnatons, der von 1333 bis 1323 v. Chr. regierte, fanden sich in Tutanchamuns Grab noch andere Relikte aus der Amarna-Zeit. Die Gebrauchsspuren auf den beiden Instrumenten legen nahe, dass sie tatsächlich bei einem kultischen Fest zum Einsatz kamen. Möglicherweise wurden sie bei der Bestattung eines der beiden Könige von zwei Priesterinnen gespielt.

Katharina Hepp