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Lehrstuhl für Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie

Pressespiegel - Meldung

Verschwundenes Dorf gefunden

03.07.2017

Schon lange ist im kollektiven Gedächtnis der Schönderlinger die Geschichte um eine verlassene Siedlung am Osterrain verankert. Nun wurde die genaue Lage ausfindig gemacht - und zweifelsfrei wissenschaftlich bestätigt

Unter dieser Wiese schlummert der Altort: Nils Ostermeier (Mitte) von der Uni Würzburg stellt das Ergebnis der archäologischen Untersuchung vor. Initiator Gerhard Morber und 2. Bürgermeisterin Beatrix Lieb können kaum fassen, dass die Funde so ein eindeutiges Bild zeichnen.

Schönderling - Sein Vater hatte den Brunnen noch mit eigenen Augen gesehen. Gerhard Morber begleitet seit Kindesbeinen die Faszination um den Altort von Schönderling. Es heißt, der Teufel habe sieben Höfe am Osterrain in einen Sack gesteckt und fortschaffen wollen. Doch eine aufmerksame Mutter schlitzte den Sack auf, so dass die Höfe an anderer Stelle herauspurzelten - das neue Schönderling entstand. Seither erzählen sich die Schönderlinger von dem verschwundenen Dorf am Fuße des Hegekopfs. Als in den 1940er Jahren auf einer Lichtung am Waldrand ein Brunnen gefunden wurde, war das für viele der Beweis, dass hier tatsächlich einmal Menschen gelebt haben. Letztendliche Gewissheit aber hatte niemand.

Gerhard Morber ließ diese Geschichte nicht los. Als die Schönderlinger im Herbst ihr 700-jähriges Bestehen planten, das Anfang Juli gefeiert werden wird, entschloss er sich, eine Führung zum Osterrain anzubieten. „Man müsste doch noch mehr über das verschwundene Dorf herausfinden", dachte er sich und stieß im November eine Untersuchung beim Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege an. Dort half Ralf Obst weiter, und ein halbes Jahr später zeigt Nils Ostermeier vom Lehrstuhl für vor- und frühgeschichtliche Archäologie der Universität Würzburg eine Karte. „Wir haben mehrere Gehöfte mit insgesamt 20 Häusern gefunden, die aus dem 13. und 14. Jahrhundert stammen", sagt er. Mithilfe  zahlreicher Fundstücke wie Scherben, Rotlehmbrocken oder dem Fragment eines Wetzsteins konnte das Team das Alter der Siedlung bestünmen. Sogar ein Feuersteinabschlag aus der Steinzeit sei dabei, berichtet er.

Der Brunnen bleibt verschwunden.

Wege, Grundstücksgrenzen und Gebäudestrukturen machten die Archäologen mittels einer geophysikalischen Magnetometerprospektion sichtbar. Besonders begeistert ist Morber über eine Entdeckung, mit der niemand gerechnet hatte. Nahe der Gabelung, an der zwei Wege zusammentreffen, könnte eine mittelalterliche Turmburg gestanden haben - „eventuell als Sitz des niedrigen Adels am Knotenpunkt mehrerer Wege", stellt Ostermeier in den Raum.

Beatrix Lieb, 2. Bürgermeisterin und selbst Schönderlingerin (FWG), ist bewegt. Die Geschichte des verschwundenen Dorfes sei über Generationen weitergegeben worden. „Meine Eltern haben das noch in der Schule gelernt. Und jetzt wird das pünktlich zur 700-Jahr-Feier Gewissheit", sagt sie.

Bis Juli wird eine Broschüre die wissenschaftlichen Erkenntnisse zusammenfassen. Nils Ostermeier wird noch einmal nach Schönderling kommen und der Bevölkerung von den Funden berichten. Auch eine Schautafel wird draußen an der Wiese aufgestellt werden. Ein Geheimnis aber bewahrt sich der Osterrain: Vom Brunnen fehlt jede Spur. „Die Älteren sind total enttäuscht, dass wir den nicht gefunden haben", erzählt Morber.

in: Saale-Zeitung, Dienstag, 16. Mai 2017, Text: Ulrike Müller, Fotos: Ulrike Müller.

 

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Funde trugen die Helfer zusammen. Darunter sind 173 Keramikscherben und 58 Rotlehmbrocken. Gebäudestrukturen wies das Team der Uni Würzburg nach. Sie gehören zu mehreren Gehöften.

 

 

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