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Museum und alte Kulturen

Austausch WiSe 2019/20 und SoSe 2020: Ein Artikel des DAAD

Austausch WS 2019/20 und SS 2020: Ein Artikel des DAAD

Studieren in Kairo

Quelle des Artikels: https://www2.daad.de/der-daad/daad-aktuell/de/79153-wuerzburg-kairo-kulturdialog-im-zeichen-von-aegyptologie-und-museologie/

Zum gemeinsamen Master-Studiengang Museum und alte Kulturen der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) und der Helwan University (HU) in Kairo gehört der regelmäßige Austausch von Studierenden und Lehrenden. Das Projekt „Heritage Dialogue“ wird vom DAAD im Rahmen des Programms Hochschuldialog mit der islamischen Welt gefördert. 

Kairo von oben – ein einziges Lichtermeer. Lisa Koloska erinnert sich noch genau, wie es war, als sie im Oktober 2019 mitten in der Nacht in der ägyptischen Hauptstadt landete, um im dritten Semester ihres Master-Studiums Museum und alte Kulturen an der Helwan University (HU) zu studieren: „Pure Reizüberflutung.“ Das erste Mal in Afrika, das erste Mal in einem arabischen Land. „Ich wusste, dass Kairo groß ist, aber die wahren Ausmaße wurden mir erst vor Ort klar“, so die gebürtige Mainzerin. War sie anfangs überwältigt, so lernte sie die ägyptische Hauptstadt schnell lieben: „Kairo ist wunderbar lebendig. Es ist faszinierend, wie etwas so Chaotisches auch harmonisch sein kann. Wenn man dann auf dem Tahrir-Platz steht, der 2011 zum Symbol für die ägyptische Revolution wurde, ist das schon beeindruckend.“

Das Studium an der Universität verlief – anders als in Deutschland – nach einem festen Stundenplan. Die Kurse fanden abends statt. Dies kommt vielen Menschen in Ägypten entgegen, die meist neben ihrer beruflichen Tätigkeit studieren, um eine Zusatzqualifikation zu erhalten. „An der HU gibt es mehr Frontalunterricht als in Deutschland, auch weniger Diskussionsanteil in den Kursen. Hierarchien und Titel sind in Ägypten sehr wichtig, deshalb werden die Dozierenden immer mit Titel und dem Vornamen angesprochen“, erklärt die 28-Jährige. 

Studentenleben am Nil

Insgesamt fünf Studierende waren aus Würzburg nach Kairo gekommen und zu Beginn des Semesters auf dem Unigelände im Trainingshotel der Fakultät Hotelmanagement und Tourismus untergebracht. Später suchten sie sich eigene Wohnungen. So zog Lisa Koloska in eine WG im Stadtteil Dokki an der Westseite des Nils. „Hier führten wir ein normales Studentenleben. Als Ausländerin oder Ausländer sollte man deshalb darauf achten, nicht in ein konservatives Viertel zu ziehen“, rät Koloska. Die Austauschstudierenden aus Deutschland unternahmen viel gemeinsam mit den ägyptischen Kommilitoninnen und Kommilitonen, die ihnen auch etwas Arabisch beibrachten. Das ist im englischsprachigen Masterstudium nicht vorgesehen, aber Koloska und andere Gaststudierende organisierten sich während des Aufenthalts private Arabischkurse. 

Erkundung der Museumslandschaft

Neben den Lehrveranstaltungen an der Uni lernte Lisa Koloska Ägyptens reiche Museumslandschaft mit verschiedenen Ausstellungskonzepten kennen. „Die Museen dort sind weniger zahlreich als in Deutschland, und der Hauptausstellungsgegenstand ist die Antike Ägyptens, die zum Teil mit modernen museumspädagogischen Konzepten, wie im Kindermuseum des Ägyptischen Museums, vermittelt wird“, so die Expertin für Vor- und Frühgeschichte. Im neuen Großen Ägyptischen Museum, das erst 2021 eröffnet werden soll, hatte Koloska Gelegenheit, die Restaurationssäle zu erkunden – die Kontakte der Dozierenden an der HU zu den Museen machten dies möglich. Wenn Lisa Koloska zurückschaut, stellt sie fest: „Der Einblick in eine andere Kultur ist Lernen genug, aber ich habe durch das Semester in Ägypten vor allem die Museen erforschen können und erfahren, dass man überall Menschen findet, mit denen man sich anfreunden kann – egal, wie unterschiedlich die Kultur auch sein mag.“ 

Von der Millionenmetropole in die Großstadt am Main

Bis heute ist die Mainzerin vernetzt mit vielen Menschen, die sie in Ägypten kennengelernt hat. Zum Beispiel mit der Ägypterin Manar Mazhar Ashour Hassan, die als Austauschstudierende zum Sommersemester 2020 nach Würzburg kam. Gleich zu Beginn ihres Aufenthaltes musste sie eine schwierige Entscheidung treffen: Sollte sie zurück nach Ägypten gehen oder in Deutschland das Onlinestudium aufnehmen? Sie blieb. „Das war eine herausfordernde Zeit, die ich ohne die professionelle Hilfe unserer Fakultät an der JMU nicht gemeistert hätte“, erinnert sie sich. „Meine deutschen Studienkolleginnen und -kollegen, die ich schon von deren Austauschsemestern in Kairo kannte, waren wie eine zweite Familie für mich. Wir hatten in beiden Ländern eine großartige Zeit zusammen, und ich bin für jede einzelne dieser Freundschaften dankbar.“ Während des Onlinestudiums habe sie sehr viel gelernt, vor allem über neue Museumstypen, die es so in Ägypten nicht gebe, sagt die Studentin aus Kairo. Das Konzept der Stadtmuseen in Deutschland begeisterte sie so sehr, dass sie darüber ihre Masterarbeit schreibt. Beindruckt habe sie während des Studiums in Würzburg vor allem, dass in den Lehrveranstaltungen an der JMU neben der Theorie die Praxis im Vergleich zu Ägypten eine sehr viel größere Rolle spiele. 

Langzeitpraktikum im Badischen Landesmuseum

Einen besonders tiefen Einblick in die Museumspraxis erhielt Manar Hassan, als sie nach Semesterende ein vierwöchiges Praktikum im Badischen Landesmuseum in Karlsruhe absolvierte. „Das Projekt ‚Heritage Dialogue‘ stellt neben dem inspirierenden Kulturdialog Langzeitpraktika für die ägyptischen Studierenden in renommierten deutschen Museen in den Fokus sowie die Etablierung von Lehrprojekten in Kairo“, erklärt Prof. Dr. Guido Fackler, der an der JMU die Professur für Museologie und materielle Kultur leitet. „Das ist nur möglich geworden, weil wir in deutschen wie in ägyptischen Museen und Sammlungen zwischenzeitlich ein Netzwerk von Kooperationspartnern aufgebaut haben.“ 

Ein Museumspraktikum während des Corona-Sommers in Deutschland? Sie könne sich gar nichts Besseres vorstellen, so die Ägypterin. Manar Hassan arbeitete unter anderem an der Ausstellung „Räuber Hotzenplotz“ mit, einer Mitmachausstellung für Kinder und Familien. Sie klassifizierte ägyptische Objekte aus dem Archiv, forschte, führte Interviews für ihre Masterarbeit, und sie besuchte mit den Museumskolleginnen und -kollegen im Rahmen von Exkursionen weitere Museen in Mannheim und Stuttgart. 

Wiedersehen in der Winter School

Eine weitere Möglichkeit für den Austausch sowie gemeinsames Lehren und Lernen bot im Wintersemester 2020/2021 die „Digital Winter School Würzburg – Cairo: Improving the public impact of Museums”. In der Vergangenheit waren Lehrende aus Deutschland immer zur Winter School nach Kairo gereist. Diesmal war vieles anders. „Weil die Lehrveranstaltung wegen der Corona-Pandemie nur online stattfinden konnte, haben wir aus der Not eine Tugend gemacht und verschiedene digitale Lehrformate ausprobiert, um die digitalen Lehrkompetenzen von JMU und HU zu stärken“, sagt Judith Schief, die Leiterin der Digital Winter School. Gastvorträge, Museumsvorstellungen, Workshops und kleine Arbeitsgruppen boten ein attraktives neuntägiges Programm in drei Blöcken. Um den mangelnden persönlichen Kontakt auszugleichen, wurde die Arbeit in den Kleingruppen von den Projektkoordinatorinnen eng begleitet. Das Onlineformat hatte auch Vorteile: Statt fünf waren diesmal 18 Dozierende mit von der Partie, darunter erstmals auch Lehrkräfte aus Ägypten; zudem konnten mehr Studierende teilnehmen. Im Anschluss wurden den Studierenden und Lehrenden der HU die Unterrichtsmaterialien und Lektüren der Winter School auf „WueCampus“, der Onlineplattform der JMU, zur Verfügung gestellt. 

Freundschaften über Grenzen hinweg

In den Jahren des Austauschs seien das gegenseitige Vertrauen gewachsen und über Grenzen hinweg enge Kontakte und sogar Freundschaften zwischen Studierenden und Dozierenden entstanden, resümiert Prof. Dr. Fackler. „So etwas kann man natürlich nicht erzwingen, aber das ist einer der schönsten Erfolge des Projekts ‚Heritage Dialogue‘.“