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Lehrstuhl für Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie

Archäologische Prospektionen in der chalkolithischen Siedlung von Valencina de la Concepción bei Sevilla, Spanien

Pilotprojekt 2014-2017

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Die Fundstätte von Valencina de la Conceptíon

Der Guadalquivir als wasserreichster Fluss der südspanischen Landschaft Andalusien bildet seit dem Altertum einen wichtigen Verkehrsweg von dem rohstoffreichen Gebirgszug der Sierra Morena im Hinterland zur Atlantikküste (Abb. 2). Die geostrategische Bedeutung des Flusses manifestiert sich an der Lage des antiken Handelszentrums Hispalis, der heutigen Provinzhauptstadt Sevilla im Talbecken des unteren Guadalquivir. Wenige Kilometer westlich des Stadtzentrums von Sevilla erstreckt sich die herausragende kupferzeitliche Fundstätte von Valencina de la Concepción am Rande der Hochebene Aljarafe (Abb. 1).

Das prähistorische Fundareal umfasst im Norden einen Siedlungsbereich von ca. 235 ha Ausdehnung und im Süden eine kontemporäre Nekropole auf etwa 233 ha Fläche (Abb. 3). Die Siedlung liegt zu einem großen Teil unter der heutigen Wohnbebauung der Kleinstadt Valencina de la Concepción. Nördlich der städtischen Bebauung von Valencina spannt sich das vorgeschichtliche Siedlungsareal bis zu dem steil abfallenden Rand der Hochebene.

Die archäologischen Forschungen in Valencina begannen mit der Entdeckung des megalithischen Tholos-Grabes „La Pastora“ im Jahre 1860. Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts wurden Neufunde ausschließlich aus dem Nekropolenbereich bekannt, wie die berühmten Megalithgräber von „Matarrubilla“ und „Ontiveros“. Erst ab den 1970er Jahren begann auch der Siedlungsbereich das Interesse der Forschung zu erwecken. Bis heute wurden über 100 archäologische Maßnahmen an der Fundstätte vorgenommen, fast ausschließlich kleinflächige Notgrabungen und Baubeobachtungen. So beträgt die bis heute ergrabene Fläche nur etwa 0,4 % der Gesamtausdehnung der Fundstätte.

 

Die Siedlungsprospektionen

2014 wurden in einer Kooperation zwischen der JMU Würzburg, der Universidad Autónoma de Madrid und dem Museo de Valencina – Casa de Cultura archäologische und geophysikalische Prospektionen im Bereich der nördlichen Siedlungsfläche durchgeführt. Hierbei kamen Magnetometer-Prospektion, Feldbegehungen und manuelle Bohrungen zur Anwendung (Abb. 4). Ergänzt wurden die Prospektionen durch eine archäologische Profildokumentation des Museo de Valencina – Casa de Cultura 2012/2013 in einem etwa 300 m langen Bodenaufschlusses entlang des Hohlweges „Camino de Valdegríllo“ (Abb. 7).

Sämtliche Vermessungen im Gelände wurden mit einem RTK-GPS-Rover durchgeführt und in ein Geographisches Informationssystem (Qantum GIS) eingepflegt. Die Bearbeitung des Fundmaterials erfolgte in den Räumen und mit personeller Unterstützung des Museo de Valencina – Casa de Cultura (Abb. 8).

Magnetometer-Prospektion

Grundeinheit der magnetischen Prospektion 2014 waren Quadrate von 30 x 30 m Größe, die sukzessive in parallelen Linien, in der Regel nach einem Zickzack-Schema, mit dem Messgerät abgegangen wurden. Als Magnetometer kam ein Dual-Fluxgate-Gradiometer vom Typ Bartington Grad 601-2 mit einer effektiven Empfindlichkeit von 0,03 nT zum Einsatz.

Die ca. 2 ha große Parzelle „Parcela Municipal del Cerro de la Cabeza“ konnte vollständig prospektiert werden. In Anbetracht der hohen Dichte von Anomalien wurde die geomagnetische Prospektion auf den südlichen Teil der Flur „Cerro Mármol“ ausgedehnt und dort weitere 0,9 ha prospektiert (Abb. 5).

Die Vielzahl unterschiedlicher Anomalien kann in zwei Grundformen klassifiziert werden: Kreisförmige bis amorphe Anomalien von bis zu wenigen Metern Durchmesser und lineare, streifenförmige Anomalien, die mehrere Hundert Meter Länge erreichen können. Anhand von gezielten Bohrungen in einer Auswahl von Anomalien und der Korrelation mit dem Böschungsprofil des heutigen Hohlwegs können einige der Anomalien zuverlässig als archäologische Befunde angesprochen werden. Die Umzeichnung der magnetischen Anomalien liefert Abschnitte von prähistorischen Grabenwerken, lineare Strukturen, in denen sich überwiegend Hohlwege historischer Zeit verbergen dürften, und eine Vielzahl von prähistorischen Siedlungsgruben, die teils charakteristische Cluster bilden.

Bohrprospektion

Auf der „Parcela Municipal del Cerro de la Cabeza“ wurden mit dem Handbohrsystem Edelmann insgesamt 24 Bohrungen durchgeführt (Abb. 7). Die Aufreihung der Bohrungen entlang eines Transsektes erlaubt auch die Rekonstruktion eines Geländeprofils.

Mit den Bohrungen konnten sieben vorgeschichtliche Grabenanlagen, drei weitere Gräben unbekannter Zeitstellung, mehrere Siedlungsgruben und eine großflächige Kulturschicht verifiziert werden.

Feldbegehung

Auf der „Parcela Municipal del Cerro de la Cabeza“ wurde eine systematische Aufsammlung von Oberflächenfunden in Form einer Rasterbegehung durchgeführt. Die gepflügte Feldparzelle wurde auf 2 ha Fläche in einem Raster von 15 x 15 m großen Quadranten vollständig abgesammelt. Ziel war es dabei, anhand der qualitativen und quantitativen Kartierung von Keramikfragmenten und Kleinfunden Hinweise auf die Ausdehnung von Fundstellen, ihre funktionale Ansprache und Datierung zu gewinnen (Abb. 6).

Der Fundstoff wurde nach Materialgruppen getrennt ausgezählt, gewogen und klassifiziert. Unterschieden wurden handgeformte Keramikwaren, Drehscheibenkeramik, Feuerstein- und Felsgesteinartefakte. Bei der handgeformten Keramik wurde zudem die Zahl datierbarer Scherben verzeichnet, die Felsgesteinartefakte ließen sich differenzieren in Mahl-, Reib-, Klopf- und Glättsteine, daneben wurden allochthone Gesteine registriert wie Tuffit, Flusskiesel und Kupfermineralien (Malachit).

Handgeformte Keramik prähistorischer Machart (3212 Scherben, 44,5 kg) wurde praktisch in allen Sammeleinheiten angetroffen, wenn auch in ganz unterschiedlicher Dichte (Abb. 6). Die diagnostischen Keramikscherben stammen fast ausschließlich aus dem Chalkolithikum (434 Scherben) und können insbesondere der Mittelkupferzeit zugewiesen werden.

Insbesondere auf dem Oberhang der Feldparzelle erstreckt sich eine intensive Keramikstreuung von etwa 150 x 75 m Ausdehnung. Die Funde von Silexartefakten und Mahlsteinen bestätigen den Eindruck, dass es sich hierbei um das Weichbild einer Siedlungsfläche der Mittelkupferzeit handelt.

Die Ergebnisse

Vorbehaltlich der Überprüfung durch künftige Feldforschungen fanden sich auf den benachbarten Fundparzellen „Parcela Municipal del Cerro de la Cabeza“ und „Cerro Mármol“ Hinweise auf mindestens drei mehrphasige Erdwerke und zwei kupferzeitliche Siedlungsareale (Abb.7).

Erdwerk 1

Durch Magnetometer-Prospektion und Handbohrungen wurde am nördlichen Rand der „Parcela Municipal del Cerro de la Cabeza“ das Erdwerk 1 mit bis zu drei der Höhenlinie folgenden Gräben auf etwa 150 m Länge nachgewiesen. Die – je nach Grabenabschnitt – zwei oder drei parallel verlaufenden Gräben, wurden in ihrer nordöstlichen Verlängerung augenscheinlich bereits in Ausgrabungen von 1976 am „Cerro de la Cabeza“ angetroffen. Das Erdwerk 1 scheint die Geländekuppe des „Cerro de la Cabeza“ mit zwei angrenzenden Plateauspornen nach Süden, d. h. zur Hochfläche des Aljarafe hin abzuriegeln.

Erdwerk 2

Im Magnetogramm klar erkennbar ist ein zweites Erdwerk in der „Parcela Municipal del Cerro de la Cabeza“, das in der westlich benachbarten Parzelle „Cerro Mármol“ seine Fortsetzung findet. Das auf etwa 290 m Länge dokumentierte Erdwerk 2 umfasst mindestens die drei parallel verlaufenden Gräben, wobei sich die entgegengesetzt ausgerichteten Erdwerke 1 und 2 im Bereich der äußeren Gräben 3 und 5 tangieren. Möglicherweise wurde das Erdwerk 2 erst errichtet, nachdem das andere bereits eingeebnet war. Erdwerk 2 beschreibt auf dem Südhang des Cerro de la Cabeza einen nach Süden offenen Viertelkreis und verläuft gerade nach Südwesten weiter. Wahrscheinlich umgibt das Erdwerk 2 ein ebenes Siedlungsareal am Hangfuß des Cerro de la Cabeza und des Cerro Mármol, das unmittelbar am oberen Ende eines weit in die Hochebene einschneidenden Bachtals liegt.

Siedlung am Hangfuß

Mehrere Gruben-Cluster auf dem Hangfuß des Cerro de la Cabeza und Cerro Mármol umreißen ein zusammenhängendes Siedlungsareal. Die Siedlung könnte auf der prospektierten Fläche fünf bis sechs Wohnstellen umfasst haben (Abb. 7). Die Siedlungsstellen von 15 bis 30 m Durchmesser besaßen wahrscheinlich zentrale Wohngebäude, die konzentrisch von Siedlungsgruben umgeben waren. Wie allerdings Überschneidungen mancher Gruben-Ringe nahelegen, bestanden die Wohnstellen teils ungleichzeitig. Die Siedlungsstellen am Hangfuß in der „Parcela del Cerro de la Cabeza“ spiegeln sich kaum in einem erhöhten Fundaufkommen auf der Bodenoberfläche (Rasterbegehung) wider, da der Bereich durch Baggerarbeiten planiert wurde. Dieses Siedlungsareal am Hangfuß befindet sich innerhalb des Erdwerks 2. Der Grabenverlauf erweckt dabei den Eindruck, als ob die Siedlungsstellen gezielt in das Innenareal einbezogen wurden. Ein befundfreier Streifen entlang der Innenseite des inneren Grabens lässt einen begleitenden Wall vermuten. Eine Gleichzeitigkeit der Hangfußsiedlung mit dem Erdwerk 2 ist deshalb naheliegend. Da die Gräben des Erdwerks 2 nach Südwesten und Südosten aus der prospektierten Fläche hinauslaufen, dürfte die Innenfläche der Grabenanlage und damit auch die Ausdehnung des Siedlungsareals nach Süden bedeutend größer gewesen sein.

Erdwerk 3

Am südlichen Rand der prospektierten „Parzela Municipal del Cerro de la Cabeza“ und „Parcela Cerro Mármol“ gibt sich im Magnetogramm ein mögliches drittes Erdwerk zu erkennen. Es handelt sich um die zwei gleichläufig geschwungene Gräben. Dem ausschnitthaften Grabenverlauf nach zu urteilen, ähnelt das Erdwerk 3 dem Erdwerk 2, schließt dabei aber wahrscheinlich eine wesentlich kleinere Fläche ein. Der äußere Graben von Erdwerk 3 wird durch Siedlungsgruben überlagert, was darauf hindeutet, dass es älter ist als die Hangfußsiedlung. Unter der Prämisse, dass Hangfußsiedlung und Erdwerk 2 gleichzeitig bestanden, kann Erdwerk 3 als mögliche Vorgängeranlage von Erdwerk 2 betrachtet werden.

Siedlung auf dem Hang

Magnetische Prospektion, Rasterbegehung und Bohrungen erlauben es, auf dem mittleren Hang des Cerro de la Cabeza ein mittelkupferzeitliches Siedlungsareal zu verorten. Das etwa 0,7 ha große Areal wird durch Siedlungsgruben und drei benachbarte Fundkonzentrationen auf der Bodenoberfläche in ähnlicher Weise umgrenzt. Zu den charakteristischen Siedlungsfunden zählen Keramikscherben, Silexartefakte und Mahlsteinfragmente aus Granit. Sowohl einige Siedlungsgruben als auch die Fundstreuungen und eine Kulturschicht überlagern die Grabentrassen der Erdwerke 1 und 2. Dies deutet daraufhin, dass die Siedlungsfläche zwar innerhalb der Mittelkupferzeit, aber bereits nach Einebnung der Grabenwerke 1 und 2 bestand.

Zusammenfassung

Die Ergebnisse der Prospektionskampagne 2014 im nördlichen Siedlungsbereich von Valencina de la Concepción übertrafen die Erwartungen bei weitem. Mit Magnetometer-Prospektion, Bohrungen und Rasterbegehung von insgesamt zweiwöchiger Dauer konnten auf rund drei Hektar Fläche drei prähistorische Erdwerke mit mindestens 8 Grabenanlagen, zwei Siedlungsareale mit weit über 200 Siedlungsgruben und rund 3000 überwiegend kupferzeitliche Oberflächenfunde entdeckt und hinsichtlich ihrer räumlichen Lage dokumentiert werden. Eine großflächig erhaltene Kulturschicht auf dem Südhang des Cerro de la Cabeza lässt gut überlieferte Laufhorizonte aus der Kupferzeit erwarten.

Die Prospektionsergebnisse führen uns eine erstaunlich intensive und dynamische Besiedlung vor Augen. Alleine innerhalb der mittleren Kupferzeit lösten sich auf wenigen Hektar Fläche mehrere Erdwerke und Siedlungsareale in ihrer Belegung ab. Auf die älteren Erdwerke 1 und 3 folgte das mächtigere Erdwerk 2 mit der kontemporären Hangfußsiedlung in seinem Innenraum. Die zeitlich gestaffelten Gräben und sich überschneidende Siedlungsstellen sprechen für einen mehrphasigen Ausbau dieser Anlage. Nach Einebnung auch der jüngsten Befestigungsgräben folgte schließlich eine unbefestigte Siedlung auf dem Südhang des Cerro de la Cabeza. Das Fehlen glockenbecherzeitlicher Keramik lässt eine Aufgabe des Siedlungsareals bereits an der Wende zur Spätkupferzeit erwarten.

Die archäologischen Prospektionen sollen in den kommenden Jahren fortgesetzt werden.

Text: Falkenstein, Link, Mederos, Schuhmacher

 

Mitarbeiter:

  • Franz Bechtold, B.A.
  • David Berthel B.A.
  • Prof. Dr. Frank Falkenstein
  • Dr. Thomas Link
  • Prof. Dr. Alfredo Mederos
  • Nils Ostermeier M.A.
  • Philipp Schinkel, B.A.
  • Philip Schmidt B.A.
  • Prof. Dr. Thomas Schuhmacher
  • Juan Manuel Vargas, M.A.

Kooperationspartner:

Prof. Dr. Frank Falkenstein
Lehrstuhl für Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie
Institut für Altertumswissenschaften
Julius-Maximilians-Universität Würzburg
Residenzplatz 2, Tor A
D-97070 Würzburg
frank.falkenstein@uni-wuerzburg.de

Prof. Dr. Thomas X. Schuhmacher
Dpto. de Prehistoria y Arqueología
Universidad Autónoma de Madrid
Carretera de Colmenar Viejo, km 15
Cantoblanco, E-28049 Madrid
thomas.schuhmacher@uam.es

Prof. Dr. Alfredo Mederos
Dpto. de Prehistoria y Arqueología
Universidad Autónoma de Madrid
Carretera de Colmenar Viejo, km 15
Cantoblanco
E-28049 Madrid
alfredo.mederos@uam.es

Juan Manuel Vargas, M.A.
Museo de Valencina – Casa de Cultura
Plaza de España 9
E-41907 Valencina de la Concepción
jmvargas66@gmail.com
 

Förderer:

Bayerische Forschungsallianz
Forschungsfond der Philosophischen Fakultät der JMU Würzburg

Literatur:

García Sanjuán, L. – M. Luciáñez Triviño – Th. X. Schuhmacher – D. Wheatley – A. Banerjee, Ivory craftsmanship, trade and social significance in the southern Iberian Copper Age: the evidence from the PP4-Montelirio sector of Valencina de la Concepción (Seville, Spain), European Journal of Archaeology 16,4, 2013, 610-635.

García Sanjuán L. – J. M. Vargas Jiménez – V. Hurtado Pérez – T. Ruiz Moreno – R- Cruz-Auñón Briones (Hrsg.), El Asentamiento Prehistórico de Valencina de la Concepción (Sevilla): Investigación y Tutela en el 150 Aniversario del Descubrimiento de La Pastora, Universidad de Sevilla (Sevilla 2013).

Vargas Jiménez 2004: J. M. Vargas Jiménez, Carta Arqueológica Municipal de Valencina de la Concepción, Consejería de Cultura, Junta de Andalucía (Sevilla 2004)