Deutsch Intern
Chair of Comparative Philology

Rok Kuntner, M.A.

rok.kuntner@stud-mail.uni-wuerzburg.de

Die armenische Version des Alexanderromans

Der griechische Alexanderroman wurde bereits kurz nach seiner Entstehung in etliche Sprachen übertragen. Für die Rekonstruktion des Urtexts sind neben der griechischen Handschrift A aus dem Cod. Parisinus Graecus 1711 (gr. A), dem einzigen vollständigen griechischen Zeugen der Rezension α (gr. α), noch die bearbeitete griechische Rezension β (gr. β), die lateinische Fassung von Julius Valerius (Jul. Val.) sowie die beiden armenischen Fassungen (arm. A und arm. B) von besonderer Wichtigkeit.

Im Rahmen meines Promotionsprojekts werden anhand einer Analyse der Übersetzungstechnik der beiden armenischen Fassungen und einer textkritischen Analyse aller obengenannten Texte der Entstehungskontext der beiden armenischen Fassungen sowie ihre Verwandtschaftsverhältnisse mit den anderen Texten ermittelt.

Auf der übersetzungstechnischen Seite werden insbesondere jene "unklassischen" Übersetzungsmerkmale geprüft, die den Text mit der sogenannten hellenophilen Übersetzungsschule (arm. yownaban dproc‘) in Verbindung bringen, etwa Lehnübersetzungen aus dem Griechischen, Doppelübersetzungen griechischer Wörter sowie verschiedene morphologische und syntaktische Gräzismen.

Auf der textkritischen Seite werden die sogenannten Leitfehler (errores significativi) unter den obengenannten Texten ermittelt. Bisher fallen etwa zahlreiche Bindefehler (errores coniunctivi) von arm. A und Jul. Val. gegenüber gr. Α und gr. β auf. Diese gemeinsamen Fehler, die sich als entscheidend für den Nachweis der Abhängigkeit dieser beiden Fassungen untereinander herausstellen dürften, sind vor allem gemeinsame Lücken, Zusätze und Umstellungen. Anhand solcher Bindefehler ließe sich eventuell eine Sonderrezension, etwa α', erschließen, die sowohl der anonyme armenische Übersetzer als auch Julius Valerius für die Anfertigung ihrer jeweiligen Übersetzungen herangezogen haben dürften. Weitere Fragen textkritischer Natur betreffen vor allem den Aussagewert von arm. B, eines im Jahr 1989 neuentdeckten und bisher wenig behandelten Textes.

Das übergeordnete Ziel dieses Promotionsprojektes ist es, einen Beitrag zum Dialog zwischen armenischer und klassischer Philologie zu leisten, indem man die armenische Fassung dieses berühmten literarischen Werkes einem breiteren Fachpublikum zugänglich macht. Als eine Art Brücke zwischen den beiden Philologien könnte eine in Aussicht gestellte transliterierte Studienausgabe mit deutscher Übersetzung und einem linguistischen Stellenkommentar dienen.