Intern
Sinologie in Würzburg

Erfahrungsbericht Japonicum

Erfahrungsbericht über das Japonicum, das Mirai-Programm und das Studium an der Sophia-Universität in Tokyo

Mein Name ist Antonia und ich bin aktuell Studentin im 3. Semester des Masters China Business and Economics. Aufgrund meines Interesses an der japanischen Kultur und Sprache, habe mich neben meinem Hauptfachstudium der Sinologie am Ende des Sommersemesters 2016 für das Nebenfach-Element des Japonicums bei Herrn Dr. Sotomura ab dem Wintersemester 2016 angemeldet. Das Japonicum umfasst zwei Japanisch-Intensivkurse in den Semesterferien sowie umfassenden Sprachunterricht und Unterricht in japanischer Geschichte und Landeskunde über 4 Semester. Nach Abschluss der zwei Jahre erhält man ein Zertifikat vom Lehrstuhl für Kulturwissenschaften Ost- und Südasiens. Das Japonicum steht Studenten aller Fachrichtungen offen, so waren in meinem Kurs neben Sinologen auch Studenten der Medizin, Psychologie oder Informatik vertreten.

Nach zwei Semestern schlug mich Herr Sotomura für das Mirai-Programm des japanischen Außenministeriums vor, in dessen Rahmen jedes Jahr etwa 60 bis 100 Studenten und Doktoranden aus ganz Europa für 10 Tage Japan bereisen und an Konferenzen zu wechselnden Themen in Wirtschaft, Politik und Außenbeziehungen Japans teilnehmen dürfen. Im Oktober 2017 flog ich so das erste Mal nach Japan. Neben einem Symposium im Außenministerium zur damaligen Sicherheitslage in Japan (insbesondere standen die Beziehungen zu Nordkorea im Fokus), standen außerdem u.a. ein Besuch des No-Theaters in Kyoto sowie des Peace Memorial Parks in Hiroshima an. Da mir der Aufenthalt in Japan sehr gut gefiel, entschloss ich mich noch ein Auslandssemester in Japan zu machen.

Im Sommersemester 2019 war es dann soweit und ich flog für ein Semester nach Japan, um an einer Partneruniversität der Universität Würzburg, der Sophia University in Tokyo, mein Japanisch zu vertiefen. Die Organisation erfolgte wieder über den Lehrstuhl für Kulturwissenschaften Ost- und Südasiens. Jedem der Interesse an einem Studium an der Sophia hat, würde ich empfehlen, sich etwa ein halbes Jahr vorher oder früher darüber zu informieren, da die Studienplätze knapp sind.

Über die Universität konnte ich vor meiner Ankunft in Japan schon einen Wohnheimsplatz im Sophia Soshigaya International House mieten, das zwar mit 40 Minuten Fahrtzeit im Vergleich zu anderen Wohnheimen weit von der Uni entfernt ist, aber dafür mit circa 400 Euro Monatsmiete für Tokyo recht günstig ist. Alternativ stehen noch einige andere Wohnheime zur Auswahl, sodass in der Regel jeder Interessierte einen Platz bekommen kann.

Des Weiteren kann im Voraus ein Stipendium, z.B. das JASSO-Stipendium (Japan Student Services Organization) mit einem Monatssatz von umgerechnet etwa 700 Euro im Monat beantragt werden. Ich und die anderen Studenten der Universität Würzburg, die die Sophia im Sommersemester besucht haben, haben dieses Stipendium erhalten.
Zu Beginn des Semesters erfolgt ein Einstufungstest, nach dem man in die Sprachkurse eingeteilt wird. Man hat dabei die Wahl, ob man den regulären Sprachkurs oder einen Intensivkurs belegen möchte. Ich entschied mich für den Intensivkurs, im Rahmen dessen man jeden Tag knapp 4 Stunden Sprachunterricht besucht. Um die Rahmenbedingungen des Austauschprogramms zu erfüllen, muss außerdem noch ein Kurs an der Fakultät der Germanistik gemeinsam mit japanischen Studenten belegt werden. Darüber hinaus besteht natürlich die Möglichkeit sich mit seiner Fakultät in Deutschland im Voraus abzusprechen, um weitere Kurse zu besuchen und sich in Deutschland anrechnen zu lassen.
Der Intensivkurs ist sehr strukturiert und die Lehrer geben sich sehr viel Mühe. Am Anfang des Semesters wurde uns ein detaillierter Plan ausgeteilt, in dem die zu lernenden Vokabeln und Grammatik für jeden Tag verzeichnet sind. Außerdem wird jeden Tag ein kurzer Test (ca. 5 min.) und alle ein bis zwei Wochen ein sogenannter Lesson Test (ca. 30 min) geschrieben. Auffälliges Zuspätkommen und Fernbleiben vom Unterricht wird mit Punkteabzug bestraft. In der Mitte des Semesters wird eine Midterm Exam, die etwa 20% der Gesamtnote ausmacht, geschrieben. Diese strengen Regelungen haben allerdings den Vorteil, dass man sehr schnell und nachhaltig lernt und sich am Ende des Semesters alle Studenten auf dem gleichen Level befinden.

Trotz des Intensivkurses blieb mir allerdings noch genug Zeit, um an der Sophia an Freizeitveranstaltungen teilzunehmen, japanische Studenten kennenzulernen und am Wochenende Tokyo und das Umland (z.B. den Mount Fuji oder den Nationalpark Hakone) zu erkunden.  Es ist außerdem empfehlenswert, sich einem Club (Bogenschießen, Baseball, Kalligraphie etc.) anzuschließen, oder an regelmäßigen Veranstaltungen des Students Clubs teilzunehmen. Über den Students Club konnte ich gemeinsam mit japanischen Studenten unter anderem eigene Soba-Nudeln kochen, eine Miso-Suppenfabrik besuchen und eigene Suppe herstellen oder im Umland von Tokyo Tee pflücken und anschließend verarbeiten.

Im Anschluss an mein Semester fand ich in Tokyo außerdem noch ein Praktikum in einem Auslandsbüro des bayerischen Wirtschaftsministeriums.  Dieses arbeitet eng mit der deutschen Botschaft, dem Goethe-Institut in Tokyo, dem deutschen Wissenschafts- und Innovationshaus und in Tokyo ansässigen deutschen Firmen wie BMW zusammen. In Kooperation mit den genannten Partnern waren wir beteiligt an der Gestaltung eines Programms zur Unterstützung der deutschen Athleten während der Olympischen Sommerspiele in Tokyo 2020. Neben diesem Programm unterstützt das Büro außerdem deutsche Start-Ups und Mittelständler auf ihrem Weg nach Japan mit Branchenanalysen und Erstinformationen zu ortsansässigen möglichen Kooperationspartnern, Fachmessen oder Sprachdienstleistungen. Hier konnte ich auch das im vorangegangenen Semester gelernte Japanisch gut anbringen. Durch den engen Kontakt zur deutschen Botschaft durfte ich außerdem an einer Hospitanz dort teilnehmen sowie die Feier zum Tag der deutschen Einheit in der Residenz der Botschafterin mitorganisieren.

Da ich im Vorfeld meines Auslandssemesters in Japan auch bereits ein Praktikum bei BMW im Vertrieb Asien-Pazifik absolviert habe und für dieses Praktikum mindestens grundlegende Kenntnisse der japanischen Sprache und Kultur erwünscht waren, kann ich das Japonicum auch jedem empfehlen, der sich neben seinem kulturellen Interesse fragt, inwiefern das Japonicum beruflich voranbringen kann.

Viel wichtiger ist jedoch zu erwähnen, dass mich der Aufenthalt in Japan auch auf persönlicher Ebene sehr bereichert und gestärkt hat. Abseits vom puren Lernen bietet Tokyo zahlreiche Feste, kulturelle Vielfalt, beeindruckende, moderne  Architektur, aber auch traditionelle, spirituelle Rückzugsorte. Jedem, der es nach Tokyo schafft, verspreche ich daher mindestens eine der schönsten Zeiten im Leben!