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Lehrstuhl für klassische Archäologie

Antonia Minor (?)

Aufbewahrungsort: Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Lehrstuhl für Klassische Archäologie, Zimmer 1.18

Herkunft: Leihgabe des Martin von Wagners Museums (seit 2022)

Maße: H gesamt ca. 43 cm (ohne Sockel), H Gesicht ca. 27 cm

Bei diesem Gipsabguss handelt es sich um eine maßgetreue Wiedergabe des marmornen Einsatzkopfes einer jungen Frau, der 2003 in Pantelleria entdeckt wurde und seitdem im dortigen Museo Archeologico aufbewahrt wird.

Das antike Original ist bis auf den oberen Rand des Diadems sowie leichte Absplitterungen am Halsausschnitt und der Kalotte vollständig erhalten. Das hintere Viertel des Kopfes war angestückt. Die Oberfläche der senkrecht abgeflachten Rückseite ist nur grob bearbeitet. In der Mitte der Anstückungsfläche sind die korrodierten Überreste eines Eisendübels erhalten. Ein korrespondierendes Hinterkopffragment wurde ebenfalls gefunden (Schäfer 2015, 721 Kat. 3 Abb. 3a-b), ist aber im Abguss nicht ergänzt worden. Der Hals endet in einem Einsatzkonus, von dem der hintere Teil weggebrochen ist. Im Gesicht finden sich rosa Farbspuren, im Bereich der Haare dunkle Verfärbungen. An den Augen konnten unter UV-Licht ebenfalls schwache Farbreste festgestellt werden (Brinkmann 2015; Schäfer 2015, 721).

Das etwas überlebensgroße Frauenbildnis ruht auf einem langen Hals und ist leicht nach rechts unten geneigt. Das Gesicht zeichnet sich durch eine ovale Form und weiche Gesichtszüge mit vollen Wangen, einem rundlich vorspringenden Kinn, einer kräftigen Nase und einem vergleichsweise zierlichen Mund aus. Die rundlichen Augen mit ihren schmalen Lidern sind weit geöffnet. Die Haare sind in einen Mittelscheitel geteilt und rahmen die niedrige Stirn in symmetrisch angelegten, welligen Strähnen bis zu den teilweise von ihnen bedeckten Ohren, sodass sich ein flaches Stirndreieck ergibt. Aus den Wellen lösen sich mehrere kleine Löckchen, die in die Stirn und auf die Schläfen fallen. Die Frisur wird zum Oberkopf hin von einer geknoteten Astragalbinde begrenzt und zusammengehalten, über der ein gezacktes Diadem sitzt. Dessen Zacken wurden ursprünglich von kleinen Kugeln bekrönt, die sich z. T. noch erhalten haben. Hinter den Ohren fällt das Haar auf beiden Seiten in langen Korkenzieherlocken auf die Schultern. Dahinter fallen die zu Schlaufen gebundenen Enden der Binde ebenfalls zur Schulter herab. Der Frisurentyp und die formalen Eigenheiten des Kopfes – etwa die präzisen Angaben im Bereich der Augenpartie und des Stirnhaars oder die sensible Oberflächenbehandlung im Bereich des Inkarnats – verweisen den Kopf in die frühe Kaiserzeit und hier am ehesten in die Regierungszeit des Kaisers Claudius.

Aufgrund der individuellen Gesichtszüge und der frühkaiserzeitlichen Modefrisur handelt es sich zweifellos um das Porträt einer wohlhabenden Römerin. Deren Identität ist jedoch noch nicht abschließend geklärt: Der Ausgräber T. Schäfer erkennt in dem Bildnis die Züge der Antonia Minor, wie sie in weiteren Porträts überliefert sind (Schäfer 2004; Schäfer 2015). Dafür spricht auch die Ähnlichkeit unseres Stücks mit Bildnissen ihres Enkels Caligula und ihres Sohnes Germanicus. E. Bartman sieht in dem Einsatzkopf hingegen eher ein Bildnis der Agrippina Minor (Bartman 2012, 419). Interessant ist jedenfalls der Kopfschmuck: Das Diadem und die Binde gehören zur Ausstattung römischer Priesterinnen. Beide Attribute sprechen dafür, dass die Dargestellte in einer entsprechenden Rolle, etwa als sacerdos Divi Augusti, wiedergegeben wurde.

Der Kopf wurde gemeinsam mit einem Einsatzkopf des Caesar (Arachne ID 7461324) in einer Zisterne auf der Akropolis von Pantelleria gefunden. Gemeinsam mit einem Kopf des Titus (Arachne ID 7461295) aus einer weiteren Zisterne gehörten sie wohl zu einer Galerie mit den leicht überlebensgroßen Porträts mehrerer Angehöriger des römischen Kaiserhauses. Sowohl Antonia als auch Agrippina ergäben als Teil einer solchen Kaisergalerie Sinn, da sie in ihrer Funktion als Mütter und Ehefrauen des julisch-claudischen Kaiserhauses, aber auch als Priesterinnen des Kaiserkultes großes Ansehen genossen. Besonders Antonia Minor nahm eine wichtige Stellung ein, da sie als Nichte des Augustus und Mutter des Claudius die julische mit der claudischen Familie verband.

[Martha Narang]

Literatur

  • E. Bartman, Early Imperial Female Portraiture, in: S. L. James – S. Dillon (Hrsg.), A Companion to Women in the Ancient World (Oxford 2012) 418 f.
  • V. Brinkmann, Die blauen Augen Caesars, in: T. Schäfer – K. Schmidt – M. Osanna (Hrsg.), Cossyra 1,2. Die Ergebnisse der Grabungen auf der Akropolis von Pantelleria. S. Teresa. der Sakralbereich. Tübinger archäologische Forschungen 10 (Rahden/Westf. 2015) 766 f.
  • C. Maderna, Die Bildhauerkunst während der Regierungszeit des Claudius (41–54 n. Chr.), in: P. C. Bol (Hrsg.), Die Geschichte der antiken Bildhauerkunst IV. Plastik der römischen Kaiserzeit bis zum Tode Kaiser Hadrians (Mainz am Rhein 2010) 83 f. Abb. 114.
  • T. Schäfer, Drei Porträts aus Pantelleria: Caesar, Antonia Minor und Titus, in: R.-M. Weiss – T. Schäfer – M. Osanna (Hrsg.), Caesar ist in der Stadt. Die neu entdeckten Marmorbildnisse aus Pantelleria (Ausstellungskatalog Helms-Museum Hamburg 2004) 23-31 Abb. 13-19.
  • T. Schäfer, Plastik aus Marmor, in: T. Schäfer – K. Schmidt – M. Osanna (Hrsg.), Cossyra 1,2. Die Ergebnisse der Grabungen auf der Akropolis von Pantelleria. S. Teresa. der Sakralbereich, Tübinger archäologische Forschungen 10 (Rahden/Westf. 2015) 721-727 Kat. 2 Abb. 2a-d; 752-761 Abb. 84.

 

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