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Lehrstuhl für Europäische Ethnologie / Empirische  Kulturwissenschaft

Grabgestaltung im Wandel?

Die Grabgestaltung hat eine lange Geschichte und ist mittlerweile, ähnlich wie die verschiedenen gegenwärtigen Begräbnispraktiken, äußerst vielseitig.

In heutiger Grabgestaltung mischt sich die lokal verortete religiöse und kulturelle Symbolik mit individuellem ästhetischem Empfinden sowie sozialen und regional geographischen Verhältnissen. Lediglich eingeschränkt durch Friedhofssatzungen und Geologie, kann sie relativ frei gewählt werden, wenn sich auch die Mehrheit auf den ersten Blick einer gewissen Einheitlichkeit fügt. Die Individualität der Gestaltungsformen ist in den meisten Fällen nur nicht direkt sichtbar, sondern bedarf konkreter Nachfragen. Symboliken, die eigens eingesetzt werden, finden sich auf den Grabsteinen/-platten in Form von Sprüchen oder kleineren Abbildungen. Das Wissen um deren Bedeutungszusammenhänge sowie spezifischen Nutzung innerhalb der Grabanlegung, wird unter den Gestalter*innen als klassisch wahrgenommen und traditionell innerhalb der Familie weitergegeben und dementsprechend angelegt (Protokoll 18. Juli 2022).

Die Grabstätte als Ort der gesellschaftlichen Zugehörigkeit und familiärer Identität löst sich in der heutigen globalisierten Zeit, langsam auf. Dies hinterlässt Spuren in der Gestaltung der Gräber, die an die vorherrschenden Bedingungen angepasst werden. Noch kümmern sich meist Angehörige um die Gräber, was sich als zunehmende Herausforderung erweist (Fischer 2019, 18). Diese Problematik drückt sich vor allem in der bewussten Wahl pflegeleichter Gestaltungsmittel wie bspw. Grabplatten aus, die oftmals als Ersatz für Pflanzenpflege fungieren, während wenn Bepflanzungen gewählt wird, auf pflegearme zurückgegriffen wird.

Hinzu kommen die veränderten klimatischen Bedingungen, die Einfluss auf das Grabäußere genommen haben. Die Bepflanzungswahl muss angepasst werden, wobei immer häufiger auf Insektenkompatibilität sowie geringer Wasserbedarf geachtet werden (Protokoll 18. Juli 2022). Der Friedhof als öffentlicher Ort spiegelt gesellschaftliche Phänomene und Diskurse wider und zeigt deutlich auf, wie sich globale Probleme in lokale Strukturen einschreiben und unter anderem, in optischen Wandlungen sichtbar werden.

Literatur

Daxelmüller, Christoph (1996): Tod und Gesellschaft -Tod im Wandel. In: Ders.: Tod und Gesellschaft -Tod im Wandel. Regensburg, S.9-14.

Derwin, Dr. Herbert (1931): Geschichte des christlichen Friedhofs in Deutschland. Frankfurt a.M.

Fischer, Norbert (2019): Europäische Friedhofskultur. Geschichte und Gegenwart. In: Revista Muricana de Antropologia, 26, S.17-32.

Herrmann, Bernd (2021): Thanatologie. Eine historisch-anthropologische Orientierung. Göttingen.

Quellen

Bosshard, Christoph (1998): Grabgestaltung aus Sicht des Friedhofsgärtners. In: Anthos: Zeitschrift für Landschaftsarchitektur 37, S.56-59.

Stadt Würzburg (1981): Friedhofssatzung. In: wuerzburg.de. URL: https://www.wuerzburg.de/m_412841 (letzter Zugriff: 30.08.2022).

Protokolle

Protokoll: Feldbesuch mit Feldgesprächen und Sammlung von Bildmaterial auf dem Würzburger Hauptfriedhof von Sherin-Michelle Grabenstein, 08.06.2022.

Protokoll: Feldbesuch mit Feldgesprächen und Sammlung von Bildmaterial auf dem Würzburger Hauptfriedhof von Sherin-Michelle Grabenstein, 18.07.2022.

Protokoll: Feldbesuch mit Feldgesprächen und Sammlung von Bildmaterial auf dem Würzburger Hauptfriedhof von Sherin-Michelle Grabenstein, 22.07.2022.