Zukunft pflanzen? Neue Früchte und alte Sorten in ländlichen Ökonomien
10. bis 12. September 2026
Eine Tagung des Lehrstuhls für Europäische Ethnologie/Empirische Kulturwissenschaft
der Universität Würzburg und der Bayerischen Gartenakademie
(gefördert durch Mittel der VW-Forschungsgruppe Multispecies Gardening)
sowie der Kommission Kulturanalyse des Ländlichen der DGEKW
Call for Contributions
Felder, auf denen Lavendel und Safran blühen; Äcker mit Amaranth, Erdnüssen oder Süßkartoffeln; Plantagen und Gärten, in denen neben neuen Früchten wie Feigen, Kiwis, Kapstachelbeeren oder Ingwer auch Gemüse wie Auberginen und Paprika gemeinsam mit alten Obst- und Gemüsesorten in Nachbarschaft zu Wildobst wie Hagebutten oder Speierlinge gedeihen – die Anbauflächen in Deutschland verändern sich. Neue Früchte und alte Sorten (samenfeste, regional überlieferte Sorten und sogenannte Wildformen) erweitern hier seit einigen Jahren die Anbau- und Nahrungsmittelpallette, verkürzen Transportwege und tragen zur Entwicklung neuer Ökosysteme unter den Bedingungen des Klimawandels bei. Was manche Verbraucher:innen freut, eröffnet Betreiber:innen ländlicher Ökonomien, zu den auch Freizeitgärtner:innen zählen, die Möglichkeit, zu experimentieren und sich dabei ggf. auch neue Wirtschaftszweige zu erschließen. Dies ist auch deshalb wichtig, weil zahlreiche – häufig als „heimisch“ kategorisierte – Getreide-, Obst- und Gemüsesorten es im Zuge der Erderwärmung zunehmend schwer haben. Die Unsicherheiten in ländlichen Ökonomien potenzieren sich durch die Effekte der als Polycrisis bezeichneten weltweiten Vielfachkrisen. Zugleich ist die Integration neuer Pflanzen oder alter Sorten in bestehende Ökosysteme alles andere als einfach. Kurzum: Leben, Wirtschaften und Produzieren in ländlichen Ökonomien stehen vor neuen Herausforderungen, mit denen derzeit auf Äckern, Feldern und in vielen Gärten der Bundesrepublik kreativ und experimentell umgegangen wird.
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Während diese Dynamiken landesweit erlebbar und erfahrbar sind, kristallisiert sich eine Region als besonders betroffen heraus: Unterfranken. In dieser nördlichen Region Bayerns ist der Klimawandel bereits weit fortgeschritten, so dass seine Effekte unmittelbar spürbar sind. Während der hier lange etablierte Weinbau auf neue Sorten setzt, experimentiert man in Gartenbau und Landwirtschaft zugleich mit neuen Früchten und alten Sorten. Dies ist einerseits der Grund dafür, dass wir diese Tagung hier lokalisieren. Andererseits laden wir aber Expert:innen aus anderen Regionen ein, ihre Erfahrungen mit uns zu teilen.
- Uns interessiert, welche Erfahrungen die Gärtner:innen und Landwirt:innen mit neuen Früchten und alten Sorten machen. Welchen Herausforderungen müssen sie sich stellen, und welche Möglichkeiten sehen sie?
- Was bedeuten die Neu- oder Wiedereinführung dieser Pflanzen für die bestehenden Ökosysteme?
- Wie verändern sie zugleich ländliche Arbeitsweisen, Praktiken und Sozialsysteme?
- Welches Wissen wird gebraucht, woran lässt sich anknüpfen?
- Welche neuen Mensch-Umwelt und Multi-Spezies-Beziehungen entstehen?
- Welche Bilder von Ländlichkeit werden im Rahmen sich verändernder Produktionsweisen hervorgebracht?
- Welche wirkmächtigen Zuschreibungen entstehen?
- Und nicht zuletzt: Welche Möglichkeiten des Lernens des Umgangs mit Krise bieten sich für Gesellschaft insgesamt aus diesen Erfahrungen in Gartenbau und Landwirtschaft?
Wenn Zukunft nämlich pflanzbar ist, gibt es auch in der Vielfachkrise wesentliche in den Alltagen situierte Handlungsoptionen.
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Die Tagung „Zukunft pflanzen“ wird sich diesen und anderen Fragen widmen. Im Sinne der kulturwissenschaftlichen Umweltforschung sieht sie Pflanzen und andere als menschliche Lebewesen dabei als wirk- und handlungsmächtig. Zu den Eigenheiten aller Lebewesen gehört, dass sie sich teilweise aufeinander abstimmen, aufeinander angewiesen sind, dabei auch konkurrieren und einander ggf. auch konkret konsumieren. In diesem Sinn nehmen die Veranstaltenden die Potentiale der neuen Handlungsgemeinschaften in ihrer Vielheit in den Blick. Die Tagung führt die im Fach Empirische Kulturwissenschaft, der Bayerischen Gartenakademie und in der Kommission Kulturanalyse des Ländlichen gepflegte Expertise zusammen mit der anderer Wissenschaften wie den Agro Food Studies, inklusive Agrarwissenschaft und Gartenbau, und der Expertise weiterer Praktiker:innen in ländlichen Ökonomien. Angesichts der Schnelligkeit des fortschreitenden Wandels und der hohen Volatilität vorhandener Wissensbestände erscheint den Veranstaltenden der direkte Austausch zwischen Praxisfeldern und Wissenschaften wesentlich. Im Sinne des Themas geht es darum, einander zu befruchten, aktuelle Herausforderungen zu bestimmen, Zukunftspotentiale auszuloten, und neue Forschungen zu generieren.
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